managen / kommunizieren = verstehen – einordnen – einschätzen – bewerten – lenken – entwickeln – gestalten
„Die Welt ist das Gegebene, das sich als solches zwar erfahren lässt, aber dessen Zusammenhänge wohl nie vollständig erfasst und verstanden werden können. … Man kann die Welt nicht erst in Angriff nehmen, wenn man sie verstanden hat, sondern die Voraussetzung ist die Kommunikation. Der Mensch muss sich auf die Welt einlassen. Und das, ohne sie zu verstehen.“
„Ein Synkretist verlangt von keinem Menschen, dass er alles weiß. Das ist gar nicht möglich. Denn die Welt ist nie als das Ganze zu erfassen. Was ist das Bedeutende an den Arbeiten von Menschen aus Jahrtausenden? Dass das, worüber sie Wissen erlangt haben, was sie entdecken konnten, anschlussfähig ist. Synkretismus heißt also nichts anderes, als die Sicherstellung der Anschlussfähigkeit.„
„Normalerweise war die Kenntnis der Metaphysik als Aussage über die Welt jenseits ihrer Gegebenheiten zu verstehen. Man übersah aber, dass die Gedanken weltliche Gegebenheiten sind. Physis ist der Tisch, ein materiell Gegebenes. Und Meta ist das, was darüber hinaus noch existiert – Gedanken. Die Unterscheidungslinie verläuft zwischen den Dingen, der res extensa, und den Gedanken, der res cogitans. Im Cogitare hat Descartes diese beiden Dimensionen unterschieden: das Verdichtete als das Material, und das Denken. Das Denken ist etwas ebenso in der Welt Vorfindliches, nur von wesentlich größerer Bedeutung als alles Physikalische. Somit ist die Metaphysik als über der Physik stehend anzusehen. Schließlich leben wir Menschen doch fast ausschließlich aus dem Kosmos des Gedanklichen. Ob wir bei einer Welterklärung Hilfe suchen, bei unseren Religionssystemen, ob wir unsere Kenntnisse als Ärzte oder Ingenieure zur Anwendung bringen, alles ist gedanklich geprägt. Entscheidend ist immer, wie der Gedanke aus dem Physikalischen entsteht. Das menschliche Gehirn ist selbst Weltbestand als Physik.…
Ich kann direkt von meinem Kopf in den Kopf eines anderen hineinwirken, mit Gedanken, mit Liedern, mit Poesie, mit was auch immer. Damit ist der Denkdienst gekennzeichnet bzw. der Dienst an der metaphysischen Erziehung, an der Stimulierung des Zutrauens der Menschen zu ihrer metaphysischen Fähigkeit. Was die Leute in unseren Tagen nicht begreifen, ist, dass Metaphysik nicht ein Jenseits der Welt darstellt. Vielmehr ist Metaphysik die reinste Bestimmung des Materialismus der Welt. Die Gedanken sind das entscheidende Material im Gegenwärtigsein von Welt. Alles was man sieht, alle Gestalt, all das sind Gedanken. Das Entscheidende an der Differenzierung von Materie und Geist ist der Gedanke. …
Wir Menschen rekurrieren auf Glaubensakte als Ausgangspunkte, um wissen zu können. Man muss glauben, damit man wissen kann. Und umgekehrt: man weiß, das man glauben muss. Das ist die unumstößlich gültige Einheitsformel des Mittelalters. Glauben ist Wissen und Wissen ist Glauben. Damit wird auch deutlich, dass dieser Denkdienst oder eben diese Bildungsintention, nämlich die Gehirn-zu-Gehirn-Kommunikation – das Entwickeln der Gedanken selbst ohne Repräsentation in etwas anderem als den Begriffen – eine Exzellenzform, eine besondere Verantwortlichkeit verlangt und einer besonderen Anstrengung bedarf.“
„Wenn ich mich auf ein Ziel hin bewege – zum Beispiel wenn ich einen Tisch machen will, bedeutet das, dass ich mit dem Ziel beginne. Die Leute wandern ja nicht nach Santiago de Compostela, weil es ein Ort ist, den sie noch nicht kennen, sondern sie wandern dorthin, gerade weil sie ihn kennen. Das heißt, sie beginnen bereits mit der Kenntnis dessen, was Santiago als Pilgerziel, als heiliger Ort bedeutet. Und so beginnt der Tischler mit dem Tisch, den er machen will. Das heißt, er beginnt mit dem Ende.“
aus: Bazon Brock bazonbrock.de/werke/detail/?id=3654
„Die mir am wichtigsten erscheinenden Beobachtungen für das 21. Jahrhundert fasse ich in 14
Thesen. Sie sind Markierungen, um globales Geschehen zu verstehen, mediale Berichterstattung
einzuordnen, das Verhalten der Menschen einzuschätzen und komplexe Systeme wirksam zu
lenken, zu entwickeln und zu gestalten – d. h. zu managen.
1. Die komplexen Systeme des 21. Jahrhunderts sind zwar durch die Erfolge der Denkweisen und
Methoden des 20. Jahrhunderts entstanden, aber sie können mit eben diesen nicht mehr gemanagt
werden, weil die Systeme global dafür zu komplex geworden sind.
2. Das 21. Jahrhundert hat in den Tiefenstrukturen bereits radikaleren Wandel mit sich gebracht, als
an der Oberfläche wahrgenommen wird. Nicht nur ein Paradigmen–wandel findet statt, sondern ein
Wandel der Kategorien, in denen wir Paradigmen als solche wahrnehmen.
3. Die kategorialen Dimensionen des neuen Weltbilds heißen Komplexität, System, Funktionieren,
Control, Selbstorganisation, Information, Nicht–Linearität, Wissen und Erkenntnis.
4. Die globalen Gesellschaften transformieren sich zur Komplexitätsgesellschaft – in
Mutationsschritten von der Gesellschaft von Individuen zur Gesellschaft von Organisationen zur
Gesellschaft von Systemen –, die komplex sind. Aufgrund ihrer Komplexität haben sie
Eigendynamiken, die ein grundlegend anderes Management als bisher verlangen.
5. Wissen ist wichtiger geworden als Zeit und Energie, Information wichtiger als Geld, die gezielte
Selbstorganisationsfähigkeit von Unternehmen wichtiger als Macht.
6. Das relevante Wissen für das Funktionieren dieser Gesellschaft kommt aus den
Komplexitätswissenschaften. Das sind die Kybernetik, die Systemtheorie und die Bionik. Im
Anwenden dieses Wissens liegt die relevante Erkenntnis.
7. Die entscheidende Herausforderung für Funktionieren im 21. Jahrhundert ist Komplexität. Die
wichtigste Fähigkeit ist, Komplexität zu meistern und zu nutzen. Die wichtigste Funktion dafür ist
kybernetisches Management. Das wichtigste Mittel dafür ist kybernetische Unternehmenspolitik. Die
wichtigste Voraussetzung dafür sind Bedingungen zur Selbstorganisation, die die Eigendynamik
komplexer Systeme nutzen und es Menschen ermöglichen, sich selbst zu führen.
8. Die wichtigste Wirkung solcher Unternehmenspolitik ist Master Control für sich
selbstorganisierende, sich selbst regulierende, selbst lenkende komplexe Systeme.
9. Komplexitätszentrum und Ankerpunkt von Master Control ist je nach Organisation der Kunde,
Klient, Patient, Schüler, Wähler – kurz jeder, der ihre Leistung braucht und in irgendeiner Weise bezahlt. Nur die Organisation, die ihren Leistungsbeziehern für das Meistern der Komplexität
wirksame Lösungen bietet, wird Erfolg haben.
10. Die Epoche der Beliebigkeit von und im Management ist zu Ende, denn die Kybernetik etabliert
die wissenschaftlich zwingenden Gesetzmässigkeiten und Massstäbe für funktionierendes
Management im Komplexitätszeitalter. Auch zu Ende ist damit die Epoche des bisher auf
Beliebigkeit beruhenden Opportunismus in den Management–Consulting–Services aller Kategorien.
11. Es wird nur noch zwei Gruppen von Menschen geben: Erstens jene, die im Neuen nur Altes
erkennen und nicht mehr genug verstehen, weil sie die Erkenntnisse hinsichtlich Welt, Wirklichkeit,
System und Information der letzten Jahrzehnte versäumt haben. Zweitens jene, die das Neue als
solches erkennen und es nutzen, weil sie diese Entwicklung schon in Zeiten aufmerksam mitverfolgt
und verstehen gelernt haben, lange bevor deren Konsequenzen allgemein spürbar wurden.
12. Die heutigen gesellschaftlichen Institutionen REvolutionieren sich oder sie verschwinden, weil
sie unmanageable sind und daher ihre Zwecke nicht mehr erfüllen. Finanzierungsschwierigkeiten
sind nur das Symptom ihres Nicht–Funktionierens. Die Ursache ist ihr Mangel an richtigem,
komplexitätsgerechtem Management.
13. Regierungspolitik wird in den globalen Gesellschaften zwar weiterhin wichtig, aber in ihrer
heutigen Form immer mehr Quelle von Störungen, Behinderung und Begrenzung sein. Heutige
politische Parteien erfüllen keine Zwecke mehr, denn das Funktionieren gesellschaftlicher Systeme
hat keine Partei–Farben und folgt keiner Ideologie. Es ist nichts rechts oder links, sondern richtig
oder falsch.
14. Die Schlüsselfähigkeit für den Menschen in der Komplexitätsgesellschaft ist das Beherrschen
von professionellem Management und (Selbst–)Management. Es wird für soziales Überleben sowie
Lebens– und Evolutionsfähigkeit jeder Gesellschaft dieselbe Bedeutung haben, wie Lesen und
Schreiben für den Schritt vom leibeigenen Analphabeten zum mündigen Bürger. Solides
kybernetisches Management wird die Funktionierens– und Kulturfähigkeit der
Komplexitätsgesellschaft sein.“
Auszug aus Malik, Fredmund: Unternehmenspolitik und Corporate Governance. Band 2 der
Reihe „Management: Komplexität meistern“. Frankfurt/Main: Campus Verlag, 2008. S.52f.