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Kurzgeschichte „Meine Nachbarn und ich“

Eines Abends klingelte es an unserer Haustür. Vor der Tür stand mein Nachbar mit zwei weiteren schwarz gekleideten Männern im Schlepptau. Sie traten lautstark in unser Haus ein und forderten uns auf, Ihnen unser Haus zu übergeben.

Der Nachbar meinte, dass er nun ab sofort der rechtmäßige Eigentümer sei.

Um sein Vorhaben gewaltsam zu unterlegen, schlug er mir, weil ich so verdutzt war, unvermittelt ins Gesicht.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist rot-gelb-blau-1-1024x1017.jpgAuf meine Frage hin, mit welcher Begründung er dieses täte, erwiderte er, dass ihm das Haus nunmal ohnehnin seit jeher zustünde und er sich überdies von mir und meinen Freunden bedroht fühlte.

Er sei uns nun nur zuvorgekommen.

Ich entgegenete ihm, dass das Haus grundbuchlich verbrieft mein Eigentum sei.

Er lachte nur und meinte, dass nun sein Gesetz herrsche.

Unter Gewaltandrohung und weiteren Schlägen auf meine Frau und auch auf meine Kinder, zwang er uns nun ab sofort im Keller zu leben. Die oberen Etagen sei nur noch ihm und seinen Gefolgsleuten vorbehalten.

Daraufhin flohen wir auf die Straße und suchten unsere Nachbarn auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf. Wir schilderten ihnen den Sachverhalt und baten sie, uns zu helfen.

Diese entgegneten uns angstvoll und gaben uns den Rat, dem Nachbarn das Haus sowie unser Hab und Gut zu überlassen. Der wäre sowieso stärker als wir.

Außerdem hätten sie selbst stark mit sich zu tun und wollten in dieser Angelegenheit von uns in Ruhe gelassen werden. Aus anderen Gründen wäre es für sie auch wichtig, weiterhin gute Beziehungen zu dem Nachbarn zu pflegen.

So irrten wir durch die Straße und suchten Schutz vor dem Aggressor.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist peace-824x1024.jpgAuf jeden Fall aber nahmen wir uns vor, uns zu verteidigen und unser rechtmäßig erworbenes Eigentum zurückzuholen.

Endlich fanden wir auch Nachbarn, die bereit waren uns zu helfen.

Die einen halfen uns, weil sie Mitleid mit uns hatten, die anderen halfen uns, weil sie sich selber von einem möglichen Übergriff bedroht fühlten, wiederum andere sahen in der Tat einen grundsätzlichen Rechtsbruch und damit eine Straftat, welche zu bestrafen sei.

Es gab aber auch Nachbarn, die uns rieten, nichts zu machen und dem  Aggressor Verhandlungen anzubieten. Der Gewalt mit Gegengewalt zu begegnen, würde ja nur zur noch größeren Eskalation der ganzen Angelegenheit beitragen und stünde im Übrigen ihrer zutiefst pazifistischen Einstellung entgegen.

Sie fürchteten überdies, dass der Aggressor dann ihre eigene Freiheit einschränken könne. Davor hatten sie am meisten Angst.

Wie die Verhandlungen konkret aussehen sollten bzw. welche Inhalte eigentlich verhandelt werden sollten, wussten sie auch nicht.  Auch boten sie nicht an, diese Verhandlungen zu führen oder ihnen beizuwohnen.

Wir sollten uns einfach nur unserem Schicksal ergeben und uns nicht wehren. Sie wichen scheinhelilg zurück und boten uns lediglich an, ihren wertvollen Rat jedezeit abrufen zu können.

Der Aggressor machte es sich derweil gemütlich in unserem Haus.

Er machte auch keine Anstalten von seinem Vorhaben der gewaltsamen Vereinnahmung unseres Eigentums zurückzutreten, sondern er sinnierte darüber, wie er denn nun weitere Nachbarhäuser einnehmen könne.

Er meinte ja zudem, dass er durch seine außergewöhnliche Macht und Stärke – quasi ein von Gott gegebener Führer – das natürliche Recht besäße, auf fremdes Eigentum zugreifen zu dürfen und die „Schwachen“ zu unterwerfen. 

Wir waren nun in einer schwierigen Lage, einerseits lehnten wir Gewalt ab, andererseits konnte ich als Familienvater nicht einfach tatenlos zusehen, wie meine Familienmitglieder von den Aggressoren drangsaliert wurden.

Außerdem waren wir die rechtmäßigen Eigentümer des Hauses und der Aggressor hatte durch sein Eindringen eine Straftat begangen.

Mit der Hilfe uns wohlgesonnener und gerechter Nachbarn sowie der Polizei konnten wir am Ende den Aggressor in seine Schranken weisen. Er überlies uns gedemütigt unser Haus sowie unser Hab und Gut.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist nn-1024x950.jpgIn einem Strafverfahren wurde die Tat gerecht bestraft. Für die Beschädigungen an unserem Haus mussten er und seine Gefolgsleute Schadenersatz leisten. Für unsere erlittenen köperlichen und seelischen Schmerzen erhielten wir ein angemessenes Schmerzensgeld.

Wir haben den Nachbarn lange nicht mehr gesehen. Er ist scheinbar untergetaucht oder vielleicht sogar gestorben.

Das Leben jedenfalls ist wieder schön, auch wenn die Erinnerung weh tut.

Unsere anderen Nachbarn sind „alle“ wieder sehr freundlich und vertreten „natürlich“  jetzt nachträglich die gleiche Meinung wie wir.

Wie immer. Das Böse, das sind die anderen.

Henryk Cichowski